Schweizer Sorgen – Berner Sorgen?
05.09.2023 Aktuell, Bätterkinden, Politik, FotoRemo Zuberbühler, Präsident «Die Mitte Untere Emme», hat anlässlich der Wahlen vom 22. Oktober zu einem Ständeratspodium eingeladen. Unter der Moderation von Alain Röllin, unabhängiger TV- und Eventmoderator, äusserten sich Ständeratskandidierende zu den Top-Sorgen des letzten Sorgenbarometers, der Umwelt und der Altersvorsorge. Beim dritten Thema, der Gesundheit, gaben vor allem die Krankenkassenprämien zu reden. Laut Podiumsteilnehmenden stimmen die Schweizer Sorgen im Grossen und Ganzen mit den Berner Sorgen überein.
Wie geht es nach der Annahme des Klimaschutzgesetzes weiter?
Im Juni 2023 haben die Stimmberechtigten das Klimaschutzgesetz angenommen. Der Verbrauch fossiler Energieträger soll sukzessive reduziert werden, damit die Schweiz bis zum Jahr 2050 klimaneutral wird. Dieses Ziel begünstige Innovationen und stärke somit die Energiesicherheit, so der Grundtenor im Podium. Alle Ständeratskandidierenden sehen in der Förderung erneuerbarer Energien ein grosses Potenzial. Werner Salzmann (SVP) bezweifelt hingegen, dass damit die fossilen Energieträger ersetzt werden können, zumal durch die Zuwanderung die Bevölkerung stets wachse. Er will das Ziel ohne Verbote erreichen, wenn nötig den Landschaftsschutz zurückstellen. Jürg Grossen (GLP) favorisiert das Schaffen von Anreizen. Als Unternehmer deckt er den gesamten Energiebedarf seines Betriebs für das ganze Jahr mit Solarstrom.
Menschen, die sich auf die Strasse kleben, um auf den Klimawandel hinzuweisen, kamen bei den Podiumsteilnehmenden schlecht an, weil sie der Thematik schaden. Aufrütteln sollten Tatsachen wie Klimaextreme, so Lorenz Hess (Die Mitte). Flavia Wasserfallen (SP) sieht in den Protesten der jungen Menschen eine Verzweiflung, die Politiker/innen auffordert, Lösungen zu finden. Bernhard Pulver (Grüne) will die Bevölkerung integrieren und zum Mitdenken und Mithandeln auffordern.
Sandra Hess (FDP) ist überzeugt, dass unser Land durch Forschung neue Technologien entwickeln kann, welche die Energiewende vorantreiben werden. «Wir haben die Chance, die Dekarbonisierung als Generationenprojekt anzupacken und als kleines Land eine wichtige Vorreiterrolle zu übernehmen», erklärte Jürg Grossen. Marc Jost (EVP) appellierte an das Verantwortungsgefühl und machte Mut für Innovationen.
Wie sichert die Schweiz die AHV?
Im September 2022 sagte die Stimmbevölkerung Ja zur Erhöhung der Mehrwertsteuer und des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre. Mit einer Initiative für eine 13. AHV-Rente sollen die Teuerung, die höheren Mieten und steigende Krankenkassenprämien ausgeglichen werden. «Ist dieser Vorschlag angebracht?», fragte der Moderator Alain Röllin.
Flavia Wasserfallen unterstützt diese Idee. Die AHV müsse gestärkt werden, um das Existenzminimum für Rentner/-innen zu gewährleisten. Das sei mit einer Erhöhung der Lohnprozente bezahlbar, ist auch Bernhard Pulver überzeugt. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollte ein flexibler Berufsausstieg möglich sein und dafür müssten laut Grossen mehr Anreize geschaffen werden. Werner Salzmann sieht drei Möglichkeiten für die Zukunft der AHV: Die Rente senken oder das Rentenalter oder die Lohnprozente erhöhen. Das Anheben des Rentenalters sei möglich, denn die Lebenserwartung sei deutlich gestiegen, erklärte Sandra Hess. Marc Jost sieht in einer 13. Rente keine Lösung. Der Dialog zwischen den Generationen solle zu austarierten Kompromissen führen. Zudem sei die Abschaffung der Ehestrafe bei der AHV überfällig.
Wie sind Gesundheitskosten noch bezahlbar?
Die hohen Krankenkassenprämien widerspiegeln die Kosten, die das Gesundheitswesen verursacht. Alle Podiumsteilnehmenden waren sich einig, dass die Schweiz ein hervorragendes Gesundheitssystem vorweisen kann und alle davon profitieren wollen. Wie also die Kosten senken? Flavia Wasserfallen will die Prämienverbilligungen anheben und bei den Kosten sparen, beispielsweise mit Generika, dem Verhindern von unnötigen Eingriffen und der Förderung der Grundversorgung. Bernhard Pulver strebt dem Lohn angepasste Prämien und Prämienverbilligungen für Leute mit niedrigem Einkommen an. Von der FDP kam der Vorschlag, dass jede Person selbst entscheiden soll, was sie in der Grundversicherung versichern will.
Die Überlastung des Personals im Gesundheitswesen sei darauf zurückzuführen, dass zu wenig Fachkräfte ausgebildet worden seien. Marc Jost weist auf den grossen Ausländeranteil in den Pflegeberufen hin und möchte, dass man diesen Pflegenden mehr Wertschätzung entgegenbringt. Sandra Hess plädiert für die Digitalisierung, also das Elektronische Patientendossier (EPD), das schweizweit angestrebt wird. Lorenz Hess fordert die Bevölkerung auf, sich anzumelden, damit das EPD endlich Fahrt aufnehme. Doch aus dem Publikum war Skepsis spürbar, weil das digitale Impfdossier «gefallen» sei. Werner Salzmann will keine Einheitskasse, möchte jedoch, dass man die Prämien von den Steuern abziehen kann.
Moderator Alain Röllin führte mit Geschick und fundiertem Hintergrundwissen durch den Abend. Mit adäquaten Fragen kam nie Langeweile auf und die Ständeratskandidierenden zeigten einen respektvollen Umgang.
Helen Käser