Tigers-Goalie Luca Boltshauser im Interview

  30.01.2024 Aktuell, Eishockey, Sport, Foto, Region, Vereine, Jugend, Gesellschaft

Der in Burgdorf wohnhafte Luca Boltshauser steht im Tor der SCL Tigers. Seit der Spielzeit 2022 läuft der Goalie bei den Emmentalern als Nummer 1 auf. In der laufenden Saison bildet er laut Statistik mit Ersatz Stéphane Charlin eines der besten Goalie-Duos der gesamten National League. Wegen einer Knieverletzung beim Spiel gegen die ZSC Lions Mitte Januar musste Boltshauser seinen Arbeitstag schon nach dem Warm-up beenden. Glücklicherweise stellte sich die Verletzung als nicht gravierend heraus. Zehn Tage später stand Luca Boltshauser wieder im Langnauer Gehäuse und erkämpfte sich mit seinen Tigern den wichtigen 2:1-Heimsieg gegen den HC Ajoie. «D’REGION» besuchte ihn an seinem Arbeitsort in der Emmental Versicherung Arena in Langnau.

«D’REGION»: Luca, die SCL Tigers stehen so nahe an den Play-offs wie schon lange nicht mehr. Neun Runden vor Schluss der Qualifikation ist alles möglich. Wie gehst du mit der spannenden und umkämpften Ausgangslage um?
Luca Boltshauser: Ja, das Ziel ist klar. Wir wollen mindestens diesen 10. Platz erreichen. Der totale Fokus gilt aber der Qualifikationsrunde und dort schauen wir von Spiel zu Spiel. Es bleibt wichtig, uns immer auf das nächste Spiel zu konzentrieren. Klar kreisen die Gedanken um das Erreichen der Play-offs und man hofft, diese auch spielen zu können. Das ist normal.

«D’REGION»: Seit 2022 bist du bei den SCL Tigers. Wie fühlst du dich hier?
Luca Boltshauser: Ich könnte mich nicht wohler fühlen. Ich wurde extrem gut aufgenommen. Das Team ist super, das Umfeld ist super, alle sind sehr freundlich. Mir gefällt hier alles, auch neben dem Eis.

«D’REGION»: Wie nimmst du die hiesige Hockeykultur und die Fans wahr?
Luca Boltshauser: Wir können auf extrem leidenschaftliche Fans zählen. Auch in Burgdorf, wo ich wohne, werde ich von vielen Fans angesprochen. Es ist schön zu sehen, dass unsere Leidenschaft und unsere Passion auch auf die Zuschauer/innen und Fans überspringen. Der Lohn ist ein sehr gut gefülltes Heimstadion, wo es natürlich nochmal so viel Spass macht, vor vollen Rängen spielen zu dürfen.

«D’REGION»: Du als Goalie stehst meist im Mittelpunkt des Geschehens. Du bist die Nummer 1 in Langnaus Torhüter-Hierarchie. Wie sieht es aus mit dem Konkurrenzkampf zwischen dir und Stéphane Charlin, Langnaus Nummer 2?
Luca Boltshauser: Ich werde zwar als Nummer 1 geführt, doch das kann sich schnell ändern. Das gehört dazu. Von da her ist es ein täglicher Kampf um die erste Goalieposition. Ein Kampf im guten Sinne. Wir pushen einander gegenseitig, jeder will spielen. Während meiner Verletzung und während der ganzen Saison hat «Steff» einen sensationellen Job gemacht. Für mich ist es wichtig, dass ich weiss, er ist da und «kratzt» alles, wenn ich mal nicht spielen kann oder verletzt bin. Schlussendlich kommt dies der ganzen Mannschaft zugute. Wir sind ein Team, wir wollen zusammen den Sieg. Das ist das Einzige, was zählt. Nur so kann es gehen.


«D’REGION»: Viele Spieler pflegen vor dem Match ein Ritual, um sich zu konzentrieren, sich zu pushen und zu fokussieren. Hast du selber auch so ein Ritual?
Luca Boltshauser: Ich weiss nicht, ob ich das speziell als Ritual bezeichnen möchte. Ich habe verschiedene Sachen, die ich pflege. Viele Spieler haben da so ihre Marotten. Bei mir ist es so, dass ich mir gerne immer zuerst den rechten Teil der Ausrüstung anziehe. Das heisst, zuerst ins rechte Hosenbein schlüpfe, den rechten Schlittschuh zuerst anziehe und so weiter. Das ist so meine Macke.

«D’REGION»: Du hast in der Hockeywelt schon viel gesehen. Als Junior wurdest du bei den ZSC Lions ausgebildet, dann folgte mit 18 Jahren der Wechsel nach Schweden zu Färjestad BK, weit weg von der Familie. Welche Erfahrungen konntest du sammeln? Vielleicht auch Lebenserfahrungen?
Luca Boltshauser: Ja, mit 18 Jahren von zu Hause weg nach Schweden alleine in eine Wohnung – das war schon sehr speziell. Ich brauchte einen Moment, um mit dieser neuen Situation zurechtzukommen. Ich bin aber vom Verein sehr gut unterstützt worden. Ich war auch nicht der Einzige, der in dieser Situation war. Zwar alleine in einer Wohnung, aber vom Team immer unterstützt, sei es mit Essen, das uns mitgegeben wurde, sei es durch Hilfe in alltäglichen Situationen. Auf Fragen erhielten wir stets Antworten. Allgemein war es eine aussergewöhnlich wertvolle Erfahrung. Ich habe im Hockey sehr viel gelernt, bin aber auch gereift an Lebenserfahrung. Davon profitiere ich noch heute extrem.

«D’REGION»: Blicken wir noch etwas weiter zurück. Wie sahen deine Pläne in ganz jungen Jahren aus?
Luca Boltshauser: Ich war in jungen Jahren sportlich extrem vielfältig unterwegs, spielte Tennis, war aktiv im Skiclub, spielte auch Eishockey. Der Entscheid fürs Eishockey war dann klar, weil es ein Mannschaftssport ist. Das liegt mir. Manchmal frage ich mich dennoch, was wohl wäre, wenn ich aufs Skifahren gesetzt hätte. Wie wäre diese Karriere verlaufen?

«D’REGION»: Wie kam es dazu, die Spielerposition als Goalie zu übernehmen? Böse Zungen behaupten ja, dass erstmal derjenige ins Tor gestellt wird, der nicht überaus gut Schlittschuh laufen kann, damit er sich wenigstens am Torrahmen abstützen kann …
Luca Boltshauser: Also, wenn ich mir Videos von früher anschaue, ist das vielleicht gar nicht mal so weit weg von der Realität (lacht). Nein, dann doch nicht ganz. Bei uns war es früher so, dass immer wieder mal ein Spieler ins Tor musste und abgewechselt wurde. Wir hatten einfach nur eine Ausrüs­tung in der Mannschaft. Ich wehrte mich anfangs erfolgreich dagegen, überhaupt ins Tor stehen zu müssen. Bis es unserem Trainer zu bunt wurde und er fand, dass ich das nun auch mal übernehmen müsse. So stand ich bei einem Turnier fast gezwungenermassen ein erstes Mal im Tor und seitdem bin ich nie mehr aus dem Kasten herausgegangen!

«D’REGION»: Wie würdest du dich mit Attributen als Mensch beschreiben?
Luca Boltshauser: Hm, ich bin eher der ruhige Typ. Erschüttern kann mich nicht so schnell etwas. Anfangs zurückhaltend, vielleicht. Ich mag es aber lustig, lache gerne und bin positiv. Meine Freundin würde jetzt wohl sagen meine Aufmerksamkeit, könnte ich mir vorstellen (lacht).

«D’REGION»: Welches sind deine bisherigen Karriere-Highlights? Und was sind deine nahen Ziele?
Luca Boltshauser: Das Highlight war sicher der Cup-Sieg in der Saison 2016/2017 mit dem EHC Kloten. Das war sehr emotional. Und das nahe Ziel ist für mich klar: der Schweizermeistertitel! Natürlich mit den Tigers, das wäre am schönsten. Wir wollen immer in die Play-offs. Danach ist alles möglich.

«D’REGION»: Stichwort «Kloten»: In der Saison 2017/2018 bist du mit den Kloten Flyers in die Swiss League abgestiegen. Wie war die Gefühlslage? Fühlt man sich auch persönlich verantwortlich?
Luca Boltshauser: Anfangs hinterfragt man sich bestimmt. Es war meine erste Saison als Nummer 1, eine Saison, die mit dem Abstieg endete. Mit mehr Abstand begreifst du, dass es als Mannschaft nicht gereicht hat, dass jeder in der Verantwortung gestanden ist. Schlussendlich war es als äusserst negatives Erlebnis trotzdem ein extremer Entwicklungsschritt, von dem ich auch heute profitieren kann, indem ich die richtigen Schlüsse daraus ziehe.
 
«D’REGION»: Was machst du, wenn du nicht gerade auf dem Eis stehst?
Luca Boltshauser: Es ist sicher wichtig, auch einmal Abstand nehmen zu können und den Kopf durchzulüften. Da helfen mir auch meine beiden Kinder, die mit meiner Ex-Frau in Burgdorf wohnen. Ich wohne mit meiner Freundin ebenfalls in Burgdorf. Ich finde immer eine Möglichkeit, abzuschalten. Und mein Stubentiger zu Hause braucht auch seine Kuscheleinheiten.

«D’REGION»: Was schätzt du an deinem Gegenüber am meisten?
Luca Boltshauser: Sicher dessen Offenheit und Ehrlichkeit. Aufs Eishockey bezogen zum Beispiel kann mir jemand sagen: «Heute hast du sauschlecht gespielt.» Damit kann ich umgehen und diese Offenheit schätze ich. Lieber so und direkt, als von jemandem gelobt zu werden und später zu erfahren, dass derselbe hintenrum plaudert, ich hätte wirklich absolut mies gespielt.

«D’REGION»: Bekommst du alles mit, was im Stadion auf der Tribüne abgeht?
Luca Boltshauser: Nun ja, eher selten. Ich höre natürlich, dass da etwas los ist. Aber was genau gerufen oder gesungen wird, das ist eher schwierig. Ich bin konzentriert auf das Geschehen im Match. Da wird alles andere ausgeblendet. Du spürst natürlich die Emotionen, als Ganzes, als Kulisse.

«D’REGION»: Und auf dem Eis? Deine Gegenspieler? Der sogenannte Trashtalk ist doch ein bewährtes Mittel, den Gegner zu provozieren, oder?
Luca Boltshauser: Es ist längst nicht in jedem Match üblich. Da gibt’s sicher spezielle Typen, die das permanent versuchen, die sich vor dich hinstellen und sich möglicherweise auch mit dem Stock als Schlaginstrument versuchen, um dich aus der Konzentration zu bringen. Da machen meine Mitspieler aber einen guten Job. Sie beschützen mich und räumen das Problem weg vom Gehäuse.

«D’REGION»: Du trägst die Rückennummer 39. Hat die Nummer für dich eine spezielle Bedeutung?  
Luca Boltshauser: Wenn ich in einer neuen Mannschaft wählen konnte, war immer die Nummer 29 mein Favorit. Als ich nach Langnau kam, war diese Nummer bereits vergeben. Meine zweite Wahl kam dann zum Zug, die 39. Ein Grund dafür war Cristobal Huet, der diese Nummer trug und den ich früher bei seinem Engagement beim HC Lugano beobachtet hatte. Ihm schaute ich gerne zu. Quasi als Wertschätzung habe ich mich für die 39 entschieden. Zudem war er beim HC Lausanne mein Goalietrainer.  

«D’REGION»: Das Kantonalderby auswärts gegen Biel wurde am vergangenen Wochenende gespielt. Es ging leider 4:2 verloren. Am nächsten Samstag, 3. Februar 2024, geht’s im Heimspiel gegen den SC Bern. Sind die Derbys wirklich so besonders?
Luca Boltshauser: Tatsächlich sind es spezielle Matches. Bereits Tage vor dem Spiel wächst bei den Spielern und im ganzen Verein die Anspannung und die Vorfreude, ein Derby spielen zu können. Die Emotionen steigen nochmals mehr an. Und wir als – in grossen Anführungszeichen – «kleines Langnau» wollen den grossen Kantonsrivalen natürlich schlagen. Das ist das Schönste. Vor allem in der jetzigen Phase, in der es gegen Ende Saison geht und jedes Spiel noch wichtiger ist.

«D’REGION»: 2016 hast du dein erstes Aufgebot für die Nationalmannschaft erhalten. Wie sieht es aktuell aus? Stehst du wieder in Kontakt mit Coach Patrick Fischer?
Luca Boltshauser: Nein.

«D’REGION»: Nein? Erfährst du auch nichts, beispielsweise, dass es bald für ein erneutes Aufgebot reichen könnte?
Luca Boltshauser: Nein, nichts. Ich habe gar keinen Kontakt.

«D’REGION»: Okay, kommen wir zur nächsten Frage. Welchen Gegenspieler möchtest du lieber 60 Minuten auf der Bank sehen?
Luca Boltshauser: Hm, schwierig, vielleicht Denis Malgin oder Sven Andrighetto. Die beiden sind immer für spezielle, matchentscheidende Aktionen zu haben. Da wäre ich nicht extrem traurig, wenn sie gegen uns 60 Minuten auf der Bank sitzen würden. Aber es geht auch wenn sie spielen. Kein Problem.

«D’REGION»: Luca, noch ein paar Aussagen, die du bitte ergänzt …
Wenn ich in meinem Dream-Team spielen dürfte, wäre das bei den …

… Las Vegas Golden Knights. Schon nur wegen dem ganzen Drumherum und der Show. Das gefällt mir.

Wenn ich einen Transfer für Langnau tätigen dürfte, dann wäre das ...
… ich würde sagen keinen. Ich bin glücklich mit genau dieser Mannschaft.

Wenn ich drei Wünsche frei hätte, dann wäre das ...
… Play-offs! Gesund sein! Glücklich sein!

Wenn ich jemals das Eishockey an den Nagel hänge, dann …
… bin ich selber gespannt, was auf mich zukommt.

Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte, dann würde ich …
… wohl 90 Prozent wieder genau gleich machen.

«D’REGION»: Als Eishockey-Torhüter entscheidest du innert Millisekunden, wie du reagieren willst. Zum Abschluss habe ich dir ein paar Entweder-oder-Fragen, bei denen du ebenso schnell entscheiden musst.
Nationalmannschaft oder Langnau? Langnau!
Pizza oder Pasta? Pizza!
Bier oder Wein? Bier!
Bier oder Wasser? Bier!
Strand oder Berge? Nach der Saison Strand, während der Saison, wenn ich Zeit finde, Berge!
Messi oder Ronaldo? Messi!
Rock oder Pop? Rock und Pop … und alles andere! Alles ist möglich. Unser Garderoben-DJ macht da einen super Job.

«D’REGION»: Herzlichen Dank, Luca! Alles Gute für die (hoffentlich) bevorstehenden Play-offs!»
Ich danke dir!

Interview: Paul Hulliger

 


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