Baumpatenschaften zur Förderung der Biodiversität

  24.04.2024 Jegenstorf, Foto, Region, Gesellschaft, Aktuell

Sie heissen «Erlkönigin», «Ärdeschön» oder «Helmling». Gemeint sind alte Bäume im Wald «Silbere» von Jegens­torf. Gemein ist diesen allesamt alten, ökologisch wertvollen Bäumen, dass sie eine Patin oder einen Paten haben und sich die Waldeigentümerschaft bereit erklärt hat, die Bäume aufgrund dieser Patenschaft für 99 Jahre nicht zu fällen.
Hinter dem Projekt steht die Non-Profit-Organisation «deinbaum». Das Ziel des im Jahr 2017 gegründeten Vereins lautet, dem Mangel an alten und ökologisch wertvollen Bäumen mittels Baumpatenschaften entgegenzuwirken. Zudem soll das Konzept, wie seit Kurzem in Jegenstorf, in der ganzen Schweiz verfügbar gemacht werden. Die Zeitung «D’REGION» sprach mit Thabea Frasch, Co-Geschäftsführerin von «deinbaum», über die Baumpatenschaften und das interessante Projekt.

«D’REGION»: Wie kam es dazu, dass nun auch in Jegenstorf Bäume für die Patenschaft zur Verfügung stehen?
Thabea Frasch: In Jegenstorf konnten wir einen bestehenden privaten Kontakt nutzen, der die Waldeigentümerschaft in ökologischen Belangen bereits bestens berät und sie mit dem Projekt von «deinbaum» bekannt machte.

«D’REGION»: Warum lohnt es sich oder was sind Beweggründe, eine Baumpatenschaft einzugehen?
Thabea Frasch: Baumpatenschaften sind sehr beliebte Geschenke, denn sie sind nachhaltig, ökologisch sinnvoll und für Jung und Alt eine Freude. Jeder Mensch hat irgendeinen Bezug zur Natur, zum Wald oder zu Bäumen. Viele Menschen wollen etwas Sinnvolles tun oder verschenken. Mit einer Baumpatenschaft wird direkt in einen gesunden Wald investiert, in die Förderung der Artenvielfalt, in ein gutes Klima, in die Förderung der Biodiversität ... also in unsere Lebensgrundlage.

«D’REGION»: Die Patenschaften dauern fünf Jahre und sind zu zahlbaren Preisen verfügbar. Was passiert mit dem Patengeld?
Thabea Frasch: Die Beträge werden zu 100 Prozent an die Baumeigentümerschaft als Holznutzungsverzicht ausbezahlt. Einige Waldeigentümer/innen verzichten darauf und überlassen das Geld dem Projekt, damit weitere Baumaufnahmen finanziert werden können.

«D’REGION»: Was geschieht, wenn ein Baum gefällt werden muss? Gibt es allenfalls einen Ersatzbaum?
Thabea Frasch: Bis heute ist das zum Glück noch nie passiert. Die Bäume werden dementsprechend ausgewählt. Wenn ein Baum doch einmal infolge eines Sturms oder einer Krankheit umfällt, verbleibt er an Ort und Stelle und dient dem Ökosystem Wald als Totholz. Totholz ist ein Schlaraffenland für kleine und grössere Tiere, Pilze und Mikroorganismen. Nach fünf Jahren Patenschaft – oder aufgrund von Sturm- oder Krankheitsschäden auch schon früher – kann ein neuer Patenbaum ausgewählt werden.

«D’REGION»: Welche Auflagen oder Bedingungen gelten, damit ein Baum eine Patenschaft erhalten kann?
Thabea Frasch: Gesucht sind einheimische, standortgerechte Baumarten und Grosssträucher im Wald und etwas abseits von Wegen oder der Infrastruktur. Ideal ist, wenn diverse ökologisch wertvolle Strukturen wie grosse Kronen- und Astbrüche, Totholz in der Krone oder Horste von Greif- und Rabenvögeln vorhanden sind. Weiter wertvoll sind Zwiesel- und Mehrstämmigkeit, Stammrisse, Harzfluss, Höhlen von Spechten, hohle Stämme, Wasserbecken im Stamm, Wucherungen, starker Bewuchs mit Lianen (Efeu, Waldrebe), mit Epiphyten (Misteln, Farn etc.) oder mit Moosen und Flechten.

«D’REGION»: Warum sind alte Bäume so wichtig für die Bio­diversität?
Thabea Frasch: Ein älterer Baum bindet jedes Jahr von Neuem durchschnittlich 29 Kilogramm CO2. Er produziert viele Quadratmeter Sauerstoff, filtert, befeuchtet und kühlt die Luft und speichert Wasser. Weiter bietet ein älterer Baum unzähligen Organismen Nahrung und einen Lebensraum: Bakterien, Insekten, Spinnen, Vögeln, Fledermäusen, Eichhörnchen und vielen mehr. Bei einer Jungpflanze dauert es Jahrzehnte, bis sie diese Leistungen erbringen kann.

«D’REGION»: Wie findet man seinen persönlichen Patenbaum?
Thabea Frasch: Auf unserer Web­site (www.deinbaum.ch/baumgalerie) in der Baumgalerie kann nach einer bestimmten Region oder auch nach einer bestimmten Baumart gesucht werden. Es findet sich für jeden Geschmack etwas.

«D’REGION»: Welches sind die künftigen Ziele und Herausforderungen des Vereins «deinbaum»?
Thabea Frasch: «deinbaum» will noch viele weitere Bäume erhalten und ist daher laufend auf der Suche nach Waldeigentümern, die mitmachen wollen. Die Finanzierungsmöglichkeiten für die Arbeiten draussen im Wald stellen bei unserem Projekt die grössten Herausforderungen dar.


Joel Sollberger


www.deinbaum.ch

 


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