Von Kirchberg ins Weltall

  10.12.2024 Kirchberg

Hoher Besuch am vergangenen Freitag an der Schule in Kirchberg: Der Astronaut Marco Sieber besuchte seine alte Schule und erzählte den Schülerinnen und Schülern von seinem Weg, welcher ihn von der Schule Kirchberg voraussichtlich im Jahr 2027 bis ins Weltall führen wird. Der 35-Jährige ist nach Astronaut und Pionier Claude Nicollier, der in den 1990er-Jahren ins All reiste, erst der zweite Schweizer Astronaut.

Spezielle Rückkehr
Auch für Marco Sieber selbst war seine Rückkehr an die alte Schule ein spezieller Moment. Die Umgebung rund um das Schulareal erinnerte ihn an seine Schülerzeit. «Es ist sehr schön, hierher zurückzukehren. Zwar war ich immer mal wieder bei meiner Familie in Kirch­berg zu Besuch, kam dabei aber nicht beim Schulhaus vorbei», so der Astronaut der European Space Agency (ESA). Beim Besuch kamen Marco Sieber verschiedene Erinnerungen an seine Schulzeit hoch. Bestens bekannt war ihm auch der bis auf den letzten Platz besetzte Saal im ersten Stockwerk, wo die Schülerinnen und Schüler mit Argusaugen auf den Astronauten blickten und gespannt auf die Ausführungen zu seinen Erfahrungen und Erlebnissen warteten. «Ich erinnere mich noch gut an unsere Theatervorstellung, welche wir in diesem Saal aufführten», meinte Marco Sieber lächelnd. Hinzu kam das Wiedersehen mit einigen ehemaligen Lehrpersonen, die den heutigen Astronauten einst als Schüler in den Klassenzimmern der Schule unterrichtet hatten.
Bei der Organisation des Schulbesuches von Marco Sieber war seine ehemalige Lehrerin Brigitte Eggimann federführend. Dabei sei sie im Vorfeld von der ESA auf Herz und Nieren geprüft worden, erzählte sie lachend. Die ESA erhalte viele Anfragen für Besuche bei Schulen. «Da es sich hierbei um meine alte Schule handelt, erlaubte mir die ESA den Besuch», freute sich Marco Sieber.

Beeindruckender Werdegang
«Ich erzähle euch nun, wie man von Kirchberg hoffentlich mal ins Weltall kommen kann», eröffnete Marco Sieber mit einem Augenzwinkern sein Referat, in welchem er den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in seinen Werdegang zum Astronauten vermittelte. «Schon als Kind hat mich die Raumfahrt fasziniert. Claude Nicollier war mein Idol», hielt er fest. Dass er dereinst der zweite Schweizer Astronaut und somit gewissermassen Nachfolger seines Idols werden würde, hätte er früher nicht für möglich gehalten. Nach der 8. Klasse besuchte Marco Sieber das Gymnasium Burgdorf, welches er im Jahr 2007 abschloss. Im Anschluss trat er in die Schweizer Armee ein, wo er beim Kommando Spezialkräfte zum Fallschirmjäger ausgebildet wurde. Danach absolvierte er ein Medizinstudium an der Universität Bern, welches er im Jahr 2015 mit dem Doktortitel abschloss. Parallel zum Studium war Marco Sieber als Fallschirmlehrer tätig. Die Vorliebe für die Höhe war also schon da erkennbar. Danach folgten verschiedene Posten als Assistenzarzt, unter anderem auf der Intensivstation Interlaken oder am Universitätsspital Bern. Ab dem Jahr 2020 arbeitete er zudem als Notarzt in der Hubschrauberrettung von Air-Glaciers. «Im Jahr 2021 bemerkte ich, dass meine Faszination für die Raumfahrt ungebrochen war. Deshalb entschied ich, ohne grosse Hoffnung, mich für die Astronautenausbildung der ESA zu bewerben», so Marco Sieber rückblickend. «Durch meine Ausbildung passte ich in das Profil eines Astronauten, hatte aber auch einen Plan B in der Hand, für den Fall, dass es nicht klappen würde. Damit man Astronaut werden kann, braucht es auch eine grosse Portion Glück.» Marco Sieber setzte sich – nicht nur mit Glück – gegen rund 22 500 Bewerberinnen und Bewerber durch und wurde im Jahr 2022 nach umfangreichen Tests und Befragungen in das Astronautenkorps der ESA aufgenommen. «Im Rahmen der Grundausbildung in Köln durfte ich schliesslich auch mein Idol Claude Nicollier persönlich kennenlernen. Ein unvergesslicher Moment», blickte Marco Sieber zurück.
Mit Bildern aus der Zeit seiner Ausbildung verdeutlichte er gegenüber den gespannt zuhörenden Schülerinnen und Schülern das vielseitige Können, welches ein Astronaut beherrschen muss. Von Überlebenstrainings über das Erlernen mechanischer Fähigkeiten bis zu Grundkursen der Astronomie ist dabei alles abgedeckt. Besonders beeindruckt waren die Kinder und Jugendlichen von einem Video, welches Marco Sieber in einer Zentrifuge zeigte. «Dabei entsteht ein extremer Druck. Es fühlt sich fast ein wenig an, als würde einem ein kleiner Elefant auf der Brust sitzen», beschrieb Marco Sieber die Simulation eines Raketenstarts.
Im April 2024 beendete er die Ausbildung am Europäischen Astronautenzentrum in Köln und darf sich seither offiziell Astronaut nennen. Nach der abgeschlossenen Grundausbildung besuchte Marco Sieber zuletzt weitere Vorbereitungskurse in den USA. «Das Ziel der Ausbildung ist, dass wir ideal vorbereitet sind auf unsere Reise ins Weltall. Dabei lernen wir auch den Umgang mit der Schwerelosigkeit. Will man beispielsweise eine Schraube mit einem Akkubohrschrauber befestigen, ist dies aufgrund der Schwerelosigkeit gar nicht so einfach. Daher gilt es, gewisse Tricks und Kniffe zu lernen, damit ich nicht plötzlich selbst um die Bohrmaschine drehe», erzählte er mit einem Augenzwinkern.

Zahlreiche Fragen der Schülerinnen und Schüler
Dass die Schülerinnen und Schüler zutiefst beeindruckt waren von Marco Siebers Referat, verdeutlichten die zahlreichen empor gestreckten Arme bei der anschliessenden Fragerunde. Fast so unendlich gross wie das Weltall war auch das Interesse der Kinder und Jugendlichen an Marco Sieber. Mit viel Einfühlungsvermögen und einer Prise Humor stellte er sich den Fragen. «Er ist sicher etwas gefährlicher als ein Bürojob, aber sehr viele Menschen arbeiten daran und sind um die Sicherheit von uns Astronauten besorgt», antwortete er auf die Frage, ob sein Job gefährlich sei. Auch das Zähneputzen sei in der Schwerelosigkeit möglich, so eine weitere Antwort. «Meine Kollegen, die schon im Weltall waren, haben mir erzählt, dass man einfach die Zahnpasta etwas fester auf die Zahnbürste drücken müsse, da sie sonst in der Schwerelosigkeit umherschwebt», ergänzte der Astronaut lachend. Die Fragen der Schülerinnen und Schüler drehten sich folglich um ganz alltägliche Dinge und wie sich diese denn im Weltall umsetzen liessen. So zeigten sie sich auch um das Essen der Astronauten besorgt. «Das Essen stellt kein grosses Problem dar, befindet sich aber in Päckchen, die mit heissem Wasser aufgekocht werden. Wiederum aufgrund der Schwerelosigkeit werde ich bei meinem Aufenthalt im All beispielsweise auf normales Brot verzichten müssen. Denn sonst würden die ‹Brösmeli› überall umherschweben», erläuterte Marco Sieber.
Bei seiner voraussichtlich im Jahr 2027 stattfindenden Reise ins Weltall auf die Internationale Raumstation ISS werden vor allem wissenschaftliche Experimente durchgeführt werden. «Dies ist natürlich mit ein Grund, warum ich mich sehr auf die Reise ins Weltall freue», so Marco Sieber abschliessend, ehe er sich Zeit nahm für ein Erinnerungsfoto mit den Schulklassen.
Der Besuch von Marco Sieber an seiner alten Schule in Kirchberg zeigte seinen spannenden Werdegang eindrücklich auf und bescherte den Schülerinnen und Schülern eine unvergessliche Begegnung. Weiter verdeutlichte Marco Siebers Rückkehr, dass der sympathische Astronaut trotz anstehender Reise ins Weltall die Bodenhaftung zu keinem Moment verloren hat.

Joel Sollberger

 


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