Der Bildungscampus soll Sparmassnahmen zum Opfer fallen

  27.08.2024 Burgdorf, Politik, Bildung, Gesellschaft, Bildung / Schule, Aktuell

Astrid Bärtschi (Die Mitte), Finanzdirektorin des Kantons Bern, informierte am vergangenen Donnerstag an einer Medienkonferenz über die Pläne der Kantonsregierung, auf die Ausführung mehrerer geplanter Hochbauprojekte zu verzichten, um den stark steigenden Investitionsbedarf zu senken und damit die prognostizierte kantonale Neuverschuldung zu reduzieren. Das Vorhaben des Regierungsrats löst ein gewaltiges regionalpolitisches Beben aus: Den Sparmassnahmen soll nämlich auch der seit Langem geplante Bildungscampus Burgdorf zum Opfer fallen, bestehend aus der Technischen Fachschule, die von Bern auf das Gsteig-Quartier hätte umziehen sollen, sowie dem erweiterten Gymnasium Burgdorf. Damit vollzieht der Regierungsrat eine brisante, radikale Kehrtwende und kündigt eine vor mehreren Jahren geschmiedete regionalpolitische Kompromisslösung auf.

Der «historische» Kompromiss ist Makulatur
Der Bildungscampus Burgdorf wurde der Stadt Burgdorf und der Region Emmental vom Kanton nach langem Hin und Her im Zuge der Reorganisation der Berner Fachhochschule BFH als Entschädigung für den Wegzug der bisher in Burgdorf angebotenen Studiengänge zugesichert. Der vom Grossen Rat im Juni 2016 bekräftigte Deal lautete: Die BFH wird in Biel und Bern in je einem neu zu errichtenden Campus konzentriert. Im Gegenzug siedelt die Technische Fachschule TF, im Volksmund «Lädere» genannt, von Bern in die Stadt Burgdorf über, die zusätzlich ein Cleantech-Kompetenzzentrum erhält und damit ein wichtiger Bildungsstandort bleibt.
Im März 2018 nahm der Bildungscampus Burgdorf eine erste politische Hürde: Der Grosse Rat genehmigte einen Kredit von 1,62 Millionen Franken für einen Architekturwettbewerb ohne Gegenstimmen und Enthaltungen. Im November 2019 bewilligte das Kantonsparlament mit 133 zu 10 Stimmen einen Projekt-Kredit in der Höhe von 19,6 Millionen Franken für den Bildungscampus Burgdorf. Im Herbst 2020 nahmen die Planungen für die Erweiterung des Gymnasiums und den Neubau der Technischen Fachschule auf dem Gsteig-Areal mit der Wahl der Siegerprojekte des Architekturwettbewerbs konkrete Formen an. Im September 2022 reichte der Kanton Bern das generelle Baugesuch für die Erweiterung des Gymnasiums ein. Das Gymnasiumprojekt wurde separat vorangetrieben, weil sich der Umzug der Berner Fachhochschule  von Burgdorf nach Biel verzögerte – und somit auch der geplante Neubau für die Technische Fachschule auf dem Gsteig-Areal. Damals schrieb der Regierungsrat in einer Medienmitteilung: «Am Projekt für den Neubau der TF Bern wird weiterhin intensiv gearbeitet.» Das Synergiepotenzial zwischen Technischer Fachschule und Gymnasium sei «beträchtlich».  
Der bildungs- und regionalpolitische Standortkompromiss, den Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) einst als «historischen Entscheid» lobte, scheint nun allerdings Makulatur zu sein.

Um eine zu hohe Neuverschuldung des Kantons Bern zu verhindern, erarbeitete der Regierungsrat eine Priorisierung der Investitionsvorhaben und stellte an der Medienkonferenz vom vergangenen Donnerstag zwei Optionen vor. Die erste Variante mit weitgehenden Verzichts- und Verschiebungsentscheiden sieht eine maximale Neuverschuldung des Kantons von rund 550 Millionen Franken für die Jahre 2022 bis 2031 vor und orientiert sich an der durch den Grossen Rat in der Wintersession 2023 beschlossenen maximalen Neuverschuldung von 500 Millionen Franken. In der vom Regierungsrat favorisierten «milderen» Sparvariante 2 wird auf 13 Hochbauprojekte verzichtet, 9 sollen zeitlich verschoben werden. Die prognostizierte Neuverschuldung beläuft sich bei dieser Variante trotz der Reduktion der Investitionen auf 800 Millionen Franken. Beide Optionen sehen die Streichung des Bildungscampus in Burgdorf vor.

Die «Lädere» soll in Bern bleiben
Der Regierungsrat schlägt vor, dass auf den Neubau der Technischen Fachschule, den Erweiterungsbau für das Gymnasium sowie den Kauf und die Sanierung des «Gymer»-Hauptgebäudes und der Turnhalle auf dem Gsteig-Areal, die beide der Stadt gehören, verzichtet wird. Die Technische Fachschule sei in Bern gut untergebracht, wird im Bericht «Gesamtstaatliche Priorisierung des Investitionsbedarfs» festgehalten. Zudem bestünden beim Neubau für die Technische Fachschule «bezüglich planungs- und baurechtlichen Anforderungen aufgrund von Einsprachen und Beschwerden erhebliche Risiken, weshalb mit langwierigen Prozessen zu rechnen sei. Stark kritisiert werden […] insbesondere die grossen Bauvolumen des Neubaus im Kontext mit der Ortsbildverträglichkeit.» Weiter wird darauf hingewiesen, dass bisher wegen fehlender Einigung mit der Stadt Burgdorf noch kein Kaufpreis für die bestehenden Bestandsbauten des Gymnasiums ausgehandelt werden konnte.

Zieht das Gymnasium dereinst in das Gebäude der Berner Fachhochschule um?
Die Kantonsregierung liebäugelt deshalb mit einem Umzug des Gymnasiums in die kantonalen Gebäude auf dem Gsteig, die dereinst nach dem Wegzug der Studiengänge der Berner Fachhochschule nach Biel frei werden. So sei man bei der weiterführenden Planung nicht mehr von der Stadt Burgdorf abhängig. Die Regierung rechnet für den Bau einer neuen Dreifachsporthalle für das Gymnasium auf dem Gsteig-Areal und für die Bereitstellung des Berner Fachhochschul-Gebäudes mit Kosten von 80 Millionen Franken. Die bisherigen Wettbewerbs- und Projektierungskosten von 13,7 Millionen Franken müssten abgeschrieben werden. Unter Berücksichtigung der Alternativkosten für den Bildungscampus Burgdorf ergäbe sich netto eine Entlastung der gesamtkantonalen Investitionsplanung um 111 Millionen Franken.
Neben der Priorisierung des Investitionsbedarfs stellte Regierungsrätin und Finanzdirektorin Astrid Bärtschi im Rahmen der Medienkonferenz ebenfalls das Budget 2025 sowie die Steuerstrategie des bürgerlich dominierten Regierungsrats für die kommenden Jahre vor. Diese sieht bis in das Jahr 2030 eine Senkung der Steuerbelastung um jährlich wiederkehrend eine halbe Milliarde Franken vor.

Das letzte Wort hat der Grosse Rat
Der Grosse Rat wird sich in der Wintersession mit dem Bericht des Regierungsrats über die Priorisierung des Investitionsbedarfs und dessen Umsetzung auseinandersetzen. Das Kantonsparlament kann den Bericht zurückweisen, wobei es angeben muss, in welchem Sinn die Überarbeitung zu erfolgen hat.
Wie Stadtpräsident und Grossrat Stefan Berger (SP) im Interview mit der Zeitung «D’REGION» ausführt (siehe unten), hat der Entscheid des Regierungsrats die Stadt Burgdorf völlig unerwartet getroffen. Die mehr als ungewisse Zukunft des Bildungscampus Burgdorf wird die Politik von Stadt und Region in nächster Zeit intensiv beschäftigen. Stefan Berger ist jedenfalls nicht gewillt, den Entscheid des Regierungsrats kampflos hinzu-
nehmen.

Markus Hofer


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