Der Pakt mit dem Teufel bringt Seuchen, Pest und Tod
04.12.2024 Lützelflüh«Die schwarze Spinne» gilt als eine der bedeutendsten Novellen der deutschen Literatur: An einem feierlichen Tauffest in Sumiswald fällt im neuen Haus ein uralter Fensterpfosten auf. Der Grossvater kennt sein finsteres Geheimnis: In einem Loch ist eine giftige Spinne eingeschlossen. Die hatte vor langer Zeit Pest und Chaos ins Tal gebracht – nach dem verhängnisvollen, aber gut gemeinten Pakt von Christine mit dem Teufel. Dieser half den Bauern, einen Schattengang mit hundert Buchen vor Schloss Bärhegen zu errichten, wie vom brutalen Deutschritter und Schlossherr verlangt. Weil die Bauern den vereinbarten Lohn, ein ungetauftes Kind, nicht bezahlten, bestrafte der Teufel die Gemeinschaft mit einer giftigen Spinne, die daraufhin ihr tödliches Unwesen trieb, bis eine junge Mutter mutig die Spinne in den «Bystal» einsperrte.
Ein Film mit grossen Herausforderungen
Theateradaptionen gibt es viele von der Novelle. Aber lässt sie sich auch filmisch und aktuell erzählen? Zwei Events im Gotthelf Zentrum zu Markus Fischers Film von 2022 gingen vergangene Woche dieser Frage nach. Am Mittwoch zeigte Heinrich Schütz die Schwierigkeiten auf: Die Struktur der Rahmenerzählung mit zwei Binnenerzählungen ist komplex, das Personal umfangreich, der Gegensatz Gegenwart-Vergangenheit sowie Dekor und Kostüme sind anspruchsvoll, die Produktion teuer.
Regisseur Markus Fischer verzichtete deshalb auf den Rahmen und fokussierte auf eine Binnenerzählung, drehte in Ungarn, modernisierte den Stoff, indem er sich Freiheiten bei der Gestaltung der Figuren nahm. Anders als im Original ist Christine nicht eine Fremde, sondern eine Einheimische, das Dorf wird mitschuldig! Christine ist Hebamme: Gleich zu Beginn erleben wir sie an einer wilden, rasenden Geburt. Sie bringt Kinder auf die Welt – und bedroht sie gleichzeitig mit ihrem teuflischen Deal. Dass sie zum Schluss das Neugeborene nicht dem Teufel übergibt, sondern es selbst tauft, ist eine verblüffende, folgerichtige Idee des Drehbuchs.
Anschliessend der Film: beeindruckend und düster, gewaltig und packend. Nachdenklich verliessen die rund fünfzig Gäste das Zentrum. Ähnlich wie die Leute bei Gotthelf, die «mit zitterndem Herzen zum Weggehen sich anschickten.»
Geplanter Dreh in Burgdorf
Am Freitag war Fischer persönlich anwesend: Musiker ist er, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent. Sieben «Tatorte» hat er gedreht, Schweizer Filmklassiker wie «Brandnacht» und «Marmorera», den TV-Hit «Bestatter», insgesamt über 50 Filme. Und «Die schwarze Spinne». Mit einem Budget von 5.2 Millionen Franken, seine «grösste Kiste», sei er sich fast wie in Hollywood vorgekommen. Heinrich Schütz spielte als Moderator geschickt ausgewählte Filmszenen an, was zu spannenden Diskussionen führte. Fischer erzählte, dass er die Idee sieben Jahre mit sich getragen und es 26 Drehbuchversionen gegeben habe. Ebenso verriet er, dass eigentlich in Burgdorf beim Siechenhaus und der Bartholomäus-Kapelle hätte gedreht werden sollen. Aus Kostengründen sei jedoch in Ungarn produziert, die Kapelle dort nachgebaut und der Hintergrund digital eingefügt worden.
Leider lief der Film wegen Corona im Kino nicht sehr erfolgreich an, weist nun aber gute Streaming-Zahlen auf. Zudem gewann er Filmpreise in Ungarn, Brasilien und Uruguay. Und ja, eigentlich müsste Fischer sich bei Gotthelf entschuldigen, weil er Christine das Kind selber hat taufen lassen ... Ein ungemein spannender Abend zu einer eigenwilligen, stimmigen Neuinterpretation einer alten Geschichte.
Werner Eichenberger
www.gotthelf.ch