Die «Lädere» zieht nicht nach Burgdorf – der Bildungscampus kommt nicht zustande

  10.12.2024 Burgdorf

Vergangene Woche entschied der Grosse Rat, dass die Technische Fachschule (TF), im Volksmund «Lädere» genannt, nicht nach Burgdorf ziehen wird. In einer knappen Abstimmung bei vier Enthaltungen befürworteten 78 Mitglieder des Grossen Rates den Verbleib der «Lädere» in Bern, während sich 74 Mitglieder für einen Umzug in die Zähringerstadt aussprachen. Die Fraktionen der Parteien SP-JUSO,
Grüne und EVP sprachen sich geschlossen für einen Umzug aus, diejenigen der Parteien EDU und GLP stimmten geschlossen dagegen. Mitglieder der anderen im Grossen Rat vertretenen Parteien stimmten nicht geschlossen ab. Auch diverse Emmentaler Grossräte sprachen sich gegen einen Umzug der «Lädere» nach Burgdorf aus. Damit folgte eine knappe Mehrheit des Berner Kantonsparlaments dem Regierungsrat, der die Realisierung des seit Langem geplanten Projekts aus Spargründen gestrichen hatte. Somit wird die vor acht Jahren ausgehandelte Kompromisslösung, die vorsah, dass Burgdorf für die wegziehende Berner Fachhochschule BFH die «Lädere» als Entschädigung erhalten sollte, endgültig zur Makulatur.
Der Grosse Rat hatte sich in der Vergangenheit mehrfach für den Bildungscampus Burgdorf ausgesprochen. Die bisher angefallenen Kosten in der Höhe von 15 bis 17 Millionen Franken müssen nun abgeschrieben werden. Hinzu kommt wohl eine Konventionalstrafe, die an das ausführende Architekturbüro bezahlt werden muss.
Der Entscheid des Grossen Rates schlug hohe Wellen und wurde in der Folge von beinahe sämtlichen politischen Lagern kommentiert. So zeigten sich neben dem Burgdorfer Stadtpräsidenten Stefan Berger auch die Grünen Emmental, Vertretende der EVP sowie die Regionalkonferenz Emmental in Medienmitteilungen sehr enttäuscht über den Entscheid des Grossen Rates.
Die GLP Burgdorf und die SVP Kanton Bern bewerteten den Entscheid wiederum als Chance für einen Neustart mit Blick auf den Bildungsstandort Burgdorf mit dem Schulraumbedarf des Gymnasiums sowie auf das in absehbarer Zeit leer werdende Areal der Berner Fachhochschule BFH.

Des einen Leid, des andern Freud
Die Interessengemeinschaft «IG BildungsHügel Burgdorf» freute sich über den vom Grossen Rat getroffenen Entscheid. In der IG engagierten sich im Vorfeld über 650 Bürgerinnen und Bürger gegen den Transfer der «Lädere» auf den Gsteighügel. Sie beurteilte den geplanten Neubau der TF in Burgdorf als überdimensioniert, störend für das Stadtbild und viel zu teuer. Die industrielle Ausrichtung sei nicht passend zum Schul- und Wohncharakter des Quartiers.

Der Burgdorfer Stadtpräsident Stefan Berger (SP) zeigt sich enttäuscht über den Entscheid des Grossen Rates, auf den geplanten Umzug der Technischen Fachschule (TF) in die Zähringerstadt zu verzichten. Im Gespräch mit der Zeitung «D’REGION» äusserte sich der Stadtpräsident über die Gründe für die Abstimmungsniederlage sowie über zwei eingereichte Motionen, mit denen er der Schwächung des Bildungsstandorts Burgdorf entgegentreten will.

«D’REGION»: Was bedeutet der Entscheid des Grossen Rats aus Ihrer Sicht für die Stadt Burgdorf und die Region Emmental / Oberaargau? Bleibt die Zähringerstadt weiterhin ein wichtiger Bildungsstandort?
Stefan Berger: Mit dem Entscheid wird der Bildungsstandort Burgdorf und die Region Emmental / Ober­aargau ganz klar geschwächt. Wir haben nicht nur die Fachhochschule verloren, sondern nach all den gemachten Zusagen in den vergangenen Jahren auch den Bildungscampus Burgdorf mit der Technischen Fachschule sowie dem Ausbau des Gymnasiums. Damit Burgdorf und die Region nicht weiter an Attraktivität verlieren, reichte ich zwei Motionen im Grossen Rat ein. Eine Motion verlangt, dass das fertig ausgearbeitete Projekt für das Gymnasium sofort realisiert wird, denn dieses ist mit dem Nein zum Bildungs­campus nun auch gestrichen. Für den Erhalt eines attraktiven Gymnasiums, brauchen wir sofort eine Lösung und können nicht länger zuwarten.
Die andere Motion verlangt, dass bis Ende 2026 dem Grossen Rat für das frei werdende Areal der Berner Fachhochschule eine Nachnutzung mit Höherer Bildung (zum Beispiel der Universität Bern, der Pädagogischen Hochschule, der Höheren Fachschulen HF oder der Fachmittelschule), der kantonalen Verwaltung oder andere Nutzungen inklusive eines möglichen Realisierungshorizonts vorgelegt wird.

«D’REGION»: In der Vergangenheit hatte sich der Grosse Rat mehrmals deutlich für den Bildungscampus Burgdorf ausgesprochen. Weshalb gelang es dieses Mal nicht nochmals, eine mehrheitsfähige Allianz zugunsten des Projekts zu schmieden?
Stefan Berger: Der Entscheid war ein Zufallsentscheid und hätte auch auf die andere Seite kippen können. Leider stimmten einzelne Personen nicht so ab, wie sie es uns versprochen hatten. Zudem wurden die Einsparungen, welche mit dem Verzicht auf den Bildungscampus Burgdorf realisiert werden können – wie auch das Projekt selber – vom Regierungsrat in seinem Bericht nicht korrekt dargestellt. Daneben waren wir nicht in der Lage, die vielen falschen Informationen richtigzustellen. Die Sorge der bürgerlichen Parteien betreffend den Kantonsfinanzen sowie der Umstand, dass wir in der Region politisch nicht geeint und parteiübergreifend für dieses Projekt einstanden, hatte sicher ebenso einen Einfluss und kostete uns die entscheidenden Stimmen.

«D’REGION»: Weshalb regte sich selbst in Burgdorf – sei es bei den Mitgliedern des Gemeinderats, aber auch in der Bevölkerung – Widerstand gegen den Bildungscampus mit der Technischen Fachschule?
Stefan Berger: Rückblickend kann man kritisch festhalten, dass trotz allen getroffenen Massnahmen wie dem Einbezug des Quartiers in den Wettbewerb, den Informationsschreiben an die Anwohnenden im Quartier, der Projektwebsite des Kantons und dem Einbezug einer Dialog­gruppe das Projekt zu wenig bekannt war. Auch konnten wir die vorhandenen Ängste nicht nehmen und die falschen Informationen nicht dementieren. Einige Personen wollten dieses Projekt einfach nicht und haben sich entsprechend positioniert und stark dagegen lobbyiert.

«D’REGION»: Nun werden die Karten neu gemischt... Wird das Tech-Gebäude auf dem Gsteig-Areal nach dem Wegzug der Fachhochschule nach Biel dereinst Standort des Gymnasiums und das Gymnasium-Hauptgebäude, das der Stadt gehört, ein Standort der Volks­schule?
Stefan Berger: Wir brauchen für das Gymnasium sofort eine Lösung! Eine Lösung mit einer Nachnutzung der Gebäude der Berner Fachhochschule kann erst in circa zehn Jahren realisiert werden und wäre für ein attraktives Gymnasium Burgdorf viel zu spät. Um ein attraktiver Gymnasiumsstandort zu bleiben, müssen wir, so wie ich es mit meiner Motion fordere, das im Rahmen des Bildungscampus Burgdorf fertig ausgearbeitete Projekt für das Gymnasium sofort realisieren.
Die Idee einer Nutzung des Gymnasium-Hauptgebäudes durch die Volksschule wurde direkt nach Bekanntgabe des regierungsrätlichen Entscheids, auf den Bildungscampus Burgdorf verzichten zu wollen, von den bürgerlichen Parteien Burgdorfs eingebracht. Leider lässt sich mit einer Nutzung der Gebäude des Gymnasiums unser akutes Schulraumproblem nicht lösen. Wir brauchen sofort neuen Schulraum und nicht erst in zehn bis zwölf Jahren, wenn das Gymnasium in die BFH-Gebäude einziehen könnte, wir die bestehenden Gebäude total saniert und an die Bedürfnisse der Volksschule angepasst hätten.

«D’REGION»: Erachten Sie den Kanton weiterhin als verlässlichen Partner für die künftige Zusammenarbeit?
Stefan Berger: Wir werden auch in Zukunft gerne mit dem Kanton zusammenarbeiten. Aber wir erwarten, dass die Zusammenarbeit fair und auf Augenhöhe stattfindet. An Abmachungen und Zusagen hat man sich in Zukunft zu halten und politische Entscheide des Grossen Rates sind zu akzeptieren.

Markus Hofer / Joel Sollberger


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