Ein schmerzhafter Entscheid für Burgdorf und die Region

  27.08.2024 Burgdorf, Politik, Bildung / Schule, Aktuell

«D’REGION»: Sowohl der Grosse Rat als auch der Regierungsrat haben in der Vergangenheit mehrfach ihren Willen bekundet, das Projekt «Bildungscampus Burgdorf» mit dem Gymnasium Burgdorf und der Technischen Fachschule Bern zu realisieren. Als Argument gegen die Ansiedlung der Technischen Fachschule in Burgdorf führt die Regierung nebst Spargründen nun u. a. die hohen planungs- und baurechtlichen Anforderungen auf. Komplikationen und Schwierigkeiten sind bei Gross­projekten aber vielfach der Normalfall, wie sich beispielsweise beim geplanten Bildungscampus Berner Fachhochschule BFH in Biel zeigt. Was genau hat den Regierungsrat nun betreffend dem Bildungscampus Burgdorf zum radikalen Meinungsumschwung bewogen?
Astrid Bärtschi: Die bestehenden planungs- und baurechtlichen Herausforderungen aufgrund von Einsprachen und Beschwerden bedeuten für das Projekt erhebliche Risiken – so muss mit langwierigen Prozessen gerechnet werden –, sie waren jedoch nicht ausschlaggebend für den Entscheid des Regierungsrates. Vielmehr hat dieser im Rahmen der Priorisierung der Investitionsvorhaben objektive Kriterien definiert, die im Wesentlichen den Projektstand (noch nicht in Ausführung), die Höhe der Kosten (hoher notwendiger Priorisierungsbetrag) und das Vorhandensein bestehender oder günstiger zu realisierender Alternativen (möglichst geringe Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung) umfassten.
Ein Verzicht auf den Bildungscampus Burgdorf ist gemessen an diesen Priorisierungskriterien naheliegend. Die Technische Fachschule ist in Bern etabliert und es besteht aus Nutzungssicht kein sehr grosser Änderungsbedarf. Zudem ist es aus ökologischer Sicht nachhaltiger und auch wirtschaftlicher, die bestehenden grossen Gebäude der Fachhochschule in Burgdorf nicht abzubrechen, sondern diese weiter zu nutzen – wie beispielsweise in der Priorisierung vorgesehen – für die gymnasiale Ausbildung.

«D’REGION»: Im Bericht «Gesamtstaatliche Priorisierung des Investitionsbedarfs» ist die Rede von starker Kritik der Fachwelt und der Öffentlichkeit am Projekt «Bildungscampus Burgdorf», unter anderem im Kontext mit der Ortsbildverträglichkeit. Kam diese Kritik erst in den vergangenen Monaten auf und können Sie diese genauer erläutern?
Astrid Bärtschi: Die Kritik bestand von Anfang an. Teile des Aussenraumes sind von grossem denkmalpflegerischem Interesse und sind im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) aufgeführt. Im Weiteren sind die ehrwürdigen Gebäudekomplexe im Bauinventar als schützenswert eingestuft. Zudem machen sich die Anwohnenden im Hinblick auf den Schwerverkehr grosse Sorgen. Lastwagen werden auch nach der Bauzeit notwendig sein, um die Werkstätten der Technischen Fachschule mit Material zu versorgen.
Das Projekt wurde deshalb von Beginn an in enger Zusammenarbeit mit der Stadtplanung von Burgdorf, der Denkmalpflege, dem Heimatschutz und der Ortsbildkommission entwickelt. Im Rahmen des Projektwettbewerbs wurde diesen Aspekten so gut wie möglich Rechnung getragen. Das Vorhaben wurde der Bevölkerung von Burgdorf auch im Rahmen von Öffentlichkeitsanlässen umfassend erläutert und es wurde auf die Anliegen eingegangen. Nichtsdestotrotz konnten die Skepsis und die kritischen Voten gegenüber diesem Projekt auf dem Gsteig-Areal nicht abschliessend beseitigt werden.

«D’REGION»: Gibt es bereits Pläne, wo die geplante Dreifachsport­halle auf dem Gsteig-Areal in Burgdorf gebaut werden soll? Welchen zeitlichen Horizont sieht der Regierungsrat für die Realisierung des Projekts «Umzug des Gymnasiums in die kantonalen Räumlichkeiten» vor?
Astrid Bärtschi: Die Dreifachsporthalle für den gymnasialen Unterricht soll nach wie vor auf dem Gsteig-Areal realisiert werden. Der Umzug des Gymnasiums in die kantonalen Räumlichkeiten steht in Abhängigkeit zur geplanten Inbetriebnahme des Campus für die Berner Fachhochschule BFH in Biel (nach aktuellem Planungsstand frühstens ab Ende 2028). Nach Auszug der BFH müssen die entsprechenden Gebäude in Burgdorf zunächst noch für den gymnasialen Unterricht angepasst werden.

«D’REGION»: Wie erklären Sie der hiesigen Bevölkerung, dass die Region Emmental nun – trotz anderslautenden Zusicherungen – keinen Ersatz für den Wegzug der BFH erhalten soll und nicht zum Standort der Technischen Fachschule wird?
Astrid Bärtschi: Als Bildungsstandort wird die Region Emmental nach wie vor eine wichtige Rolle spielen – dies mit dem Standort für die gymnasiale Bildung auf dem Gsteig-Areal, der gestärkt werden soll, dem Bildungszentrum Emme mit der Berufsschule sowie dem TecLab am Jlcoweg in Burgdorf, an welchem Innovationsprozesse von der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen aus der Wirtschaft vermittelt werden. Für die Etablierung des TecLab in Burgdorf beabsichtigt der Kanton in den nächsten Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag einzusetzen. Via TecLab wird die Berner Fachhochschule weiterhin in einem kleineren Umfang in der Region bleiben.

«D’REGION»: Sind Sparmassnahmen im Bildungsbereich der richtige Weg, um den Kanton vorwärtszubringen?
Astrid Bärtschi: Mir ist Folgendes wichtig: Es handelt sich bei der Priorisierung nicht um einen Verzicht auf einzelne Bildungsangebote, sondern um einen Verzicht auf die Erstellung von Neubauten. Bei allen Verzichtsprojekten sind alternative, bereits bestehende oder günstiger zu realisierende Unterbringungslösungen vorhanden.
Oder um konkret auf die Situation in Burgdorf Bezug zu nehmen: Die Technische Fachschule wird wie bisher in Bern (Lorraine und Felsenau) weitergeführt. Die bestehenden Gebäude der BFH auf dem Gsteig-Areal in Burgdorf sollen nach deren Auszug für den gymnasialen Unterricht zur Verfügung gestellt werden. Das kantonale Bildungsangebot ändert sich somit nicht durch diesen Entscheid.
Der Regierungsrat ist sich bewusst, dass die mit der Priorisierung verbundenen Entscheide für die betroffenen Anspruchsgruppen und Regionen schmerzhaft sind. Er hat aus diesem Grund weitergehende Verzichts- und Verschiebungsentscheide verworfen. An der Mehrzahl der geplanten Projekte hält der Regierungsrat unverändert fest. Sie sind wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung des Kantons. Der Regierungsrat ist deshalb auch bereit, für die Realisierung dieser Projekte gegebenenfalls eine Neuverschuldung einzugehen.

«D’REGION»: Die kantonale Politik ist in der Regel bemüht, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Regionen anzustreben. Erhält die eher strukturschwache Region Emmental vom Regierungsrat genügend Aufmerksamkeit?
Astrid Bärtschi: Absolut. Alleine mit dem Projekt «Emmentalwärts» investiert der Kanton über 300 Millionen Franken in die Region Burgdorf. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang aber auch das TecLab in Burgdorf.

Interview: Markus Hofer / Joel Sollberger


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