Ein verrückter Traum, der Schritt für Schritt realer wird
31.07.2024 Sport, Burgdorf, AktuellDie Brüder Pfister spielen seit Kindertagen Curling. Wie Enrico Pfister, der jüngere der beiden erzählt, seien sie im Jahr 1998 eher per Zufall zu diesem Sport gekommen: «Weil unser Vater sich geschäftlich mit einem Kollegen treffen wollte, der während der Arbeitszeit keinen Termin mehr frei hatte, trafen sich die beiden in der Curlinghalle, wo der Geschäftskollege trainierte.» Der Vater nahm gleich die ganze Familie zu diesem Treffen mit – und sein Kollege fragte nicht nur den Vater, ob er versuchen wolle, einen oder zwei Steine zu platzieren, sondern auch Marc und Enrico: «Und so haben wir das erste Mal Curling gespielt.» Der Vater sei dem Präzisionssport drei, vier Jahre treu geblieben, habe aber nachher wieder aufgehört: «Wir beide jedoch haben seither immer gespielt.»
Nach Erfolgen als Junioren wechselten sie für einige Jahre in den Profisport, erreichten mit der Schweizer Nationalmannschaft gar den 13. Rang in der Weltrangliste. Doch weil sie trotz des Schweizermeistertitels und der Teilnahme an den Weltmeisterschaften in Las Vegas 2018 ihr Ziel Olympia verpassten, liefen die Sponsorenverträge aus – und die beiden Brüder verabschiedeten sich wieder von der Profikarriere.
Die Idee der philippinischen Curler-Nationalmannschaft
Doch die Geschichte ist noch nicht fertig – und sie hängt damit zusammen, dass die Mutter der Brüder Pfister Philippina ist. Philippiner, die einen Wintersportverband gründen wollten, waren in Las Vegas auf die Brüder Pfister aufmerksam geworden und versuchten in der Folge, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. In diesem Zusammenhang entstand auch die Idee, einst selbst für die philippinische Nationalmannschaft zu spielen. Enrico Pfister dazu: «Ein philippinisches Curler-Team – das war ein so verrückter Gedanke, dass wir einfach aus Spass darüber nachdachten.» Sie hätten ja noch nicht einmal einen philippinischen Pass gehabt, weil sie es bisher nicht für nötig befunden hätten. «Und ausserdem waren wir zusammen mit Christian Haller nur zu dritt, hätten aber mindestens vier sein müssen, um ein Team bilden zu können …»
Der Traum von der Teilnahme an Olympischen Spielen
Und genau an diesem Punkt kam Alan Frei ins Spiel. Der philippinisch-schweizerische Amorana-Gründer wollte sich nach seinem Rückzug aus dem Geschäft einen Traum erfüllen: eine Teilnahme an den Olympischen Spielen. Mithilfe von Anwälten liess er abklären, in welcher Sportart er die grössten Chancen hätte, sich von Null aus für die Teilnahme zu qualifizieren: «Und so haben wir Alan Frei letzten Sommer zum ersten Mal getroffen», lacht Enrico Pfister. «Er war es auch, der mit seiner Begeisterung dafür sorgte, dass wir innerhalb kürzester Zeit zu unseren philippinischen Pässen kamen und für unser Abenteuer Sponsoren gewinnen konnten.» Der Enthusiasmus, den Alan Frei mitbringe, sei unglaublich: «Und da er – als Einziger unseres Teams – die finanziellen Ressourcen hat, täglich zu trainieren, hat er seit letztem Herbst riesige Fortschritte gemacht.» Als Team würden Alan Frei, Christian Haller, Marc Pfister und Enrico Pfister gut harmonieren: «Die Chemie passt einfach – und wenn diese menschliche Komponente stimmt, kannst du viel erreichen, auch wenn vielleicht nicht alle Spieler gleich stark sind.»
Eine reelle Chance, dass Träume wahr werden
Das Turnier in Prag im Oktober 2023 – der erste «Auftritt» des philippinischen Curler-Nationalteams – war ein gutes Beispiel dafür, dass die Gruppendynamik beim Curling mindestens ebenso wichtig ist wie das Taktische und Physische: Obwohl es Alan Freis erstes Curlingturnier war, kam das Team bis in den Final und musste sich nur China geschlagen geben: «Das zeigte uns, dass wir tatsächlich eine reelle Chance haben, uns für Olympia zu qualifizieren – auch wenn sie nicht besonders gross ist.»
Schritt für Schritt – bis zum Ziel
Weil die Zeit nicht genügt, sich via Weltmeisterschaften für Olympia zu qualifizieren, versuchen die vier nun, sich die Qualifikation via Turniere zu holen. «Wir sind seit zwei Monaten wieder voll am Trainieren», erklärt Enrico Pfister. «Am Baden Masters, das vom 15. bis 18. August 2024 stattfinden wird, werden wir gegen die momentane Weltnummer 1 antreten – da können wir gleich eine Standortbestimmung machen.» Danach werde das Team noch ein Turnier in der Schweiz bestreiten, bevor es Ende Oktober, Anfang November dieses Jahres in Lacombe (Kanada) an den Pan Continental Curling Championships teilnehmen werde: «Wenn wir es da schaffen, in die A-Division aufzusteigen, haben wir wieder einen grossen Schritt Richtung Olympia hinter uns …»
Und wenn der Traum tatsächlich Wirklichkeit wird, wird der philippinische Curling-Wintersportverband, der momentan aus einem Frauen- und einem Männernationalteam besteht, an den Olympischen Winterspielen in Mailand 2026 mitmischen – wo Christian Haller, Alan Frei, Marc und Enrico Pfister mit von der Partie sein werden …
Andrea Flückiger