«Politische Versprechen sind einzuhalten»

  27.08.2024 Burgdorf, Politik, Gesellschaft, Bildung / Schule, Aktuell

«D’REGION»: Aus Spargründen will der Regierungsrat auf die Realisierung des seit Langem geplanten Bildungscampus in Burgdorf verzichten. Stattdessen soll die Technische Fachschule in Bern bleiben und das Gymnasium künftig in den kantonalen Gebäuden auf dem Gsteig-Areal untergebracht werden. Hat Sie das Vorhaben der Regierung, das Leuchtturm-Projekt für die Stadt Burgdorf und die Region Emmental zu begraben, überrascht?
Stefan Berger: Ich war sprachlos und habe kein Verständnis für den Entscheid.
Es kann nicht sein, dass die massiven Budgetüberschreitungen sowohl des Campus der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel als auch des BFH-Campus in Bern auf dem Buckel unserer Region ausgetragen werden. Es ist gegenüber Burgdorf und der Region ein Affront, dass aus einem vom Grossen Rat mehrfach überparteilich bekräftigten bildungspolitischen Entscheid mit den drei Standbeinen BFH Campus Biel und Bern sowie Bildungs­campus Burgdorf nun als Sparmassnahme unser Campus ohne Alternative gestrichen werden soll. Bei allem Verständnis für die angespannte finanzpolitische Situation, so geht das nicht.

«D’REGION»: Begeht die Regierung Ihrer Meinung nach Wortbruch? Schliesslich wurde als Kompensation für den Wegzug der Berner Fachhochschule, des ehemaligen «Techs», nach Biel versprochen, die Technische Fachschule im Gegenzug in Burgdorf anzusiedeln. Zudem hat sich der Grosse Rat in den vergangenen Jahren mehrfach für den Bildungscampus in Burgdorf ausgesprochen …
Stefan Berger: Für mich ist klar: Versprechen hält man. Und Entscheide gelten, besonders mehrfach bestätigte. Nach jahrelangem Hin und Her über die Standorte der Berner Fachhochschule hat der Grosse Rat 2016 entschieden, dass anstelle der wegziehenden BFH die Technische Fachschule Bern das Gsteig-Areal belegen soll. Gleichzeitig soll im Rahmen des Bildungscampus Burgdorf das Gymnasium erweitert werden. Auch für den Architekturwettbewerb sowie die Projektierung stellte sich der Grosse Rat jeweils mit grosser Mehrheit hinter den Bildungscampus in Burgdorf und bewilligte die dazu notwendigen Kredite.
Und es widerspricht auch der partnerschaftlichen Zusammenarbeit, welche wir zwischen Stadt und Kanton z. B. bei der Realisierung der BLS-Werkstätte oder bei der Unterbringung von Asylsuchenden pflegen. Umso mehr verstehe ich einen solchen Entscheid nicht.

«D’REGION»: Lange Zeit schien die Realisierung des Campus Burgdorf auf gutem Wege zu sein. Im August 2020 wurde in einem Architekturwettbewerb das Siegerprojekt für den Bau des Bildungscampus in Burgdorf gewählt. Im September 2022 reichte der Kanton als Teilschritt das generelle Baugesuch für die Erweiterung des Gymnasiums ein. Warum ist das Projekt ins Schlingern geraten?
Stefan Berger: Das Projekt ist auf Kurs und steckt im normalen Verfahren für Wettbewerbe und Planungsverfahren, das es für solche Vorhaben bedarf. Die Erklärung und Erläuterung von solchen Projekten für die Bevölkerung ist wichtig. Dafür lohnt es sich, sich  genügend Zeit zu nehmen – auch mehr als ursprünglich gedacht.

«D’REGION»: Der Regierungsrat erwähnt in seinem Bericht, dass die in Burgdorf geplanten Neubauten für die Fachhochschule wegen des grossen Bauvolumens und im Kontext der Ortsbildverträglichkeit stark kritisiert werden. Aufgrund von Einsprachen und Beschwerden wäre bei einer Realisierung mit langwierigen Prozessen zu rechnen. Ist das Projekt tatsächlich so heftigem Gegenwind ausgesetzt?
Stefan Berger: Die Bevölkerung des Quartiers hat im Vorfeld des Projektes für sie wichtige Punkte eingebracht, die beim Wettbewerb und bei der Jurierung beachtet wurden. Danach war das Quartier mit einem Vertreter direkt im Wettbewerbsgremium wie auch in der Projektjury eingebunden. Bei solchen baulichen Veränderungen wird aber immer diskutiert. Das ist richtig und wichtig. Wir nehmen die Kritik ernst und stehen mit der Anwohnerschaft, soweit es nicht baurechtliche Verfahren betrifft, in Kontakt. Wir sind positiv gestimmt, im Dialog gute Lösungen zu finden.

«D’REGION»: Der Kanton schreibt weiter, dass es bisher zu keiner Einigung mit der Stadt über den Kaufpreis der bestehenden Gymnasiumsbauten gekommen sei. Warum haben sich die diesbezüglichen Verhandlungen so schwierig gestaltet?
Stefan Berger: Im Rahmen der Kantonalisierung der Gymnasien in den 1990er-Jahren konnte zwischen Stadt und Kanton keine Einigung erzielt werden, weshalb die Liegenschaften immer noch im Eigentum der Stadt sind. Auf Regierungsstufe sind sich Kanton und Stadt hinsichtlich der für die Neubauten des Gymnasiums notwendigen Gebäude und Baurechte aber in den letzten Wochen einig geworden.  

«D’REGION»: Wie geht der politische Prozess nun weiter?
Stefan Berger: Der Grosse Rat wird in der Wintersession im Rahmen der Budgetdebatte über die Vorschläge der Regierung befinden.

«D’REGION»: Wie beurteilen Sie die Chancen, dass der Bildungscampus Burgdorf entgegen dem Willen der Regierung doch noch realisiert wird?
Stefan Berger: Ich bin überzeugt, dass der Grosse Rat diesen Vorschlag der Regierung nicht gutheissen wird. Es geht nicht, Projekte und Regionen sowie deren Interessen unter dem Deckmantel der Priorisierung gegeneinander auszuspielen und deren Bedeutung plötzlich infrage zu stellen. Politik muss verlässlich sein und bleiben. Ansonsten wird sie unglaubwürdig. Glaubwürdigkeit ist sie der Bevölkerung schuldig.

«D’REGION»: Hat das Emmental eine genügend starke Lobby im Parlament, um seine Interessen durchzusetzen?
Stefan Berger: Ich bin sicher, dass Burgdorf und die Region die notwendige Unterstützung im Grossen Rat erhalten werden. Die guten Argumente stehen auf unserer Seite. Sicherlich werden wir im Vorfeld noch Gespräche mit allen Parteien, den Wirtschaftsverbänden oder Bildungsinstitutionen führen und sie von der Notwendigkeit und Wichtigkeit des Bildungscampus Burgdorf überzeugen.


Interview: Markus Hofer / Joel Sollberger


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