Zusammen für die Hochwasser-Ereignisbewältigung
17.12.2024 RegionAuch das Jahr 2024 hat es in der Schweiz und in Europa eindrücklich und dramatisch gezeigt: Die Naturkatastrophen werden immer gewaltiger, die Herausforderungen für die Behörden immer grösser. Wassergefahren und Unwetter sind in der Gefährdungsanalyse der Region entsprechend in einer hohen Priorität eingestuft.
Die Stadt Burgdorf durfte in den vergangenen zwei Jahren in der Thematik Hochwasser, Starkregen und Überschwemmungen von einer Zusammenarbeit mit dem Mobiliar Lab profitieren. Das Mobiliar Lab für Naturrisiken ist eine gemeinsame Forschungsinitiative des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern und der Mobiliar. Untersucht werden in erster Linie die an Hagel, Hochwasser und Sturm beteiligten Prozesse und die Schäden, die daraus entstehen. Das Mobiliar Lab arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis und strebt Resultate mit hohem Nutzen für die Allgemeinheit an.
Start mit dem Mobildeich-System
Ende 2022 trat die Mobiliar mit der Schenkungsabsicht eines mobilen Hochwasserschutz-Systems – einer 400 Meter langen Schlauchanlage – an die Stadt Burgdorf heran. Solche Anlagen sind bei besonders gefährdeten Gemeinden in der ganzen Schweiz im Einsatz – im Kanton Bern in Interlaken, Thun, Biel und nun auch in Burgdorf. Die Schlauchanlage erlaubt der Feuerwehr seit Frühling 2023, lokal und rasch zu unterstützen, wo ohne oder selbst mit baulichen Massnahmen kein ausreichender Hochwasserschutz besteht.
Die schweren Hochwasser in den Jahren 2005 und 2007 haben Schwachstellen entlang der Emme in der Region Burgdorf aufgezeigt. Durch diverse Massnahmen im Gebiet der Stadt selbst sowie im Einzugsgebiet der Emme wurde das Hochwasserrisiko in der Folge laufend reduziert. Da kurze, aber heftige Niederschläge vermehrt auftreten, erreicht die Emme zeitweise immer noch einen kritischen Pegel – zuletzt im Sommer 2022. Kaum vorstellbare Ereignisse wie im Ahrtal (Deutschland) im Jahr 2021 haben gezeigt, dass in der Frage von möglichem Hochwasser in aktuell kaum vorstellbaren Dimensionen gedacht werden muss. In Burgdorf ist die Einengung zwischen Schlossfelsen und Flühe die zweitengste Stelle der Emme nach der bekannten Räbloch-Schlucht im oberen Emmental.
Entwicklung der Einsatzstandorte
Im Rahmen der Schenkung wurde von der Stadt Burgdorf auch die Frage nach den möglichen und konkreten Einsatzstandorten in der Region gestellt, was zu einer Zusammenarbeit mit dem Mobiliar Lab führte. Anhand von genauen Analysen, Begehungen und Vermessungen konnten die entsprechenden Bereiche entlang der Emme definiert werden. Für Burgdorf bestehen Einsatzpunkte des Mobildeich-Systems im Bereich der Lochbachbrücke, der Heimiswilbrücke und der Eybrücke. Da das Mobildeich-System mit einer maximalen Länge von 400 Metern nur für zwei Einsatzstandorte ausreicht, wurde auch eine Zusammenarbeit mit anderen Elementen / Gemeinden thematisiert. So kann künftig das Element von Burgdorf beispielsweise bei einem Seehochwasser anderweitig eingesetzt werden, während die Stadt bei einer anderen Lage auf externe Elemente zugreifen kann.
Ausbildungsübung im Regionalen Führungsorgan
Im Rahmen dieser Arbeiten entstand eine weitere Zusammenarbeit. Mit dem Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär (BSM) Kanton Bern, Abteilung für den Bevölkerungsschutz und Zivilschutz, welche auch die Aufsicht über die kommunalen Führungsorgane hat, wurde zusammen mit dem Mobiliar Lab eine neue Übung für ein RFO entwickelt. Ziel dieser Übung ist der Umgang mit Wetterdaten und Vorhersagen auf Laienstufe, was dann im Rahmen eines Einsatzes zu Massnahmen durch das Führungsorgan führt.
Die Übung fand am 4. Juli 2024 statt. Bereits ab dem 26. Juni 2024 wurden die Feuerwehr und die RFO-Leitung mit fiktiven Wetterdaten konfrontiert. Am 30. Juni 2024 wurde aufgrund der Datenlage entschieden, das Regionale Führungsorgan Region Burgdorf auf den nächsten Morgen aufzubieten. Nach dem Übungsunterbruch wurde am geplanten Übungstag vom 4. Juli 2024 mit dem gesamten RFO inklusive der Führungsunterstützung des Zivilschutzes die Ereignisbewältigung gestartet.
Im Rahmen der Übung wurde ein Ereignis mit einer Wassermenge von 1000 Kubikmetern in der Emme festgelegt. Dies führte zu verschiedenen Massnahmen, unter anderem auch zu einem Evakuierungsbeschluss des betroffenen Gebiets in Burgdorf.
Im Rahmen der nachträglichen Auswertung und Analyse der Übung und des Abschlussrapports vom 20. November 2024 mit allen Beteiligten wurde festgestellt, dass die getroffenen Massnahmen dem Ereignis entsprechend ergriffen worden waren und eine rechtzeitige Evakuation erfolgte. Effektiv entstand im Ereignis eine maximale Wassermenge von 860 Kubikmetern. Dank den eingeleiteten Massnahmen und dem Einsatz der Mobildeich-Systeme konnte unter anderem die Schadensumme um rund 120 Millionen Franken reduziert werden. Zum Abschlussrapport wurden auch die übrigen RFO-Organisationen im Emmental sowie das Verwaltungskreis-Führungsorgan Emmental eingeladen.
Die Herausforderung, solche Ereignisse rechtzeitig zu erkennen, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten und die richtigen Beschlüsse für die Ereignisbewältigung respektive zum Schutz der Betroffenen zu fassen, ist gross. Die Zusammenarbeit hat für alle beteiligten Organisationen einen grossen Mehrwert in Bezug auf die Planung, die Ausbildung und die Umsetzung erzeugt. Das gegenseitige Lernen und das Verständnis für die Aufgaben zwischen Wissenschaft, der kantonalen Fachstelle und dem Einsatzelement hat für alle Parteien einen grossen und wesentlichen Wissenstransfer generiert.
Kurzfilm zur Übung des RFO Region Burgdorf
Dank dem Tool «Hochwasserdynamik» konnte erstmals einem realistischen Extremhochwasser inklusive einer einwöchigen Vorphase durch die Feuerwehr Burgdorf und das RFO geübt werden. Die Vorteile einer solchen präventiven statt nur schadensbegrenzenden Bevölkerungsschutzübung zeigt ein Kurzfilm auf YouTube (Stichwort «Hochwasserdynamik im Einsatz»).
zvg